Codewort Waldspaziergang

Elsa sammelt Liebe

Schweren Schrittes geht Elsa durch den Wald, verlässt die Wege. Laub raschelt, Tannenzapfen knacken unter ihren Füßen. Mühsam sammelt sie Holz vom Boden auf, ist tief in Gedanken versunken.

Ein einziges Sammeln war das ganze Leben. Schickte man sie nicht schon mit der Büchse von Tür zu Tür, als sie noch ein Mädchen war? Ein gutes Werk für ein warmes Lächeln. Nach dem Krieg die Steine so kalkig und schwer. Eine Trümmerfrau unter vielen, und die Städte erstanden neu. Wie stolz war sie am helllichten Tage durch die Straßen gelaufen, doch die Männer pfiffen ihr hinterher, junge wie alte. Bestimmt hätte sie sich freuen sollen, aber ihr war es stets wie eine Warnung erschienen. Sie ging nach Hause, sobald es dunkel wurde, denn so sehr wurden die Frauen geliebt, dass es ja ihre Schuld gewesen wäre, wenn … Oder etwa nicht?

Irgendwann erschien der Eine, und wieder sammelte sie, diesmal Komplimente, und alle sagten, sie habe einen Guten erwischt. Bald kamen die Kinder. Sie sammelte die Wäsche zusammen und klebte Rabattmarken. Punkte fürs Alter sammelte sie nicht. Schlechtes Gewissen.

Jetzt war der Eine tot und die Kinder gingen ihrer Wege. Sie sammelte Flaschen aus dem Müll, aber darüber würde sie mit niemandem sprechen. Wie sicher starb die Liebe, wenn man zur Last fiel. Bloß das nicht. Wenn sie wenigstens all die Briefe nicht öffnen müsste, die sich in der Schublade stapelten. Letzte Mahnung. Die hatte sie eigentlich nicht sammeln wollen. Also jetzt auch noch die Wohnung kalt. Sie bückt sich nach einem Ast und seufzt. Das Beste zum Schluss: Holz aus dem Wald. Wollsocken. Und ein Waschlappen.

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