Codewort GEHEN

Sonja

Die Gummistiefel voller Schlamm. So stand sie vor unserem Bett und sprach, steh auf, meine Liebe! Sie knotete ihr Hemd auf, das sie bei ihrer Runde im Garten als Beutel benutzt hatte. Drei faustgroße Tomaten fielen auf die Bettdecke. Erst die Hitze, dann der Regen, sprach Sonja, kein Wunder, dass sie platzen. Sie ging wieder. Ich schloss meine Augen und wartete auf das Brummen der Dusche und auf Sonjas Gesang. An diesem Morgen trällerte sie etwas, das ich nicht kannte.

Plötzlich war es still. Doch gleich würde sie laut Huch und Hach rufen, während sie eiskaltes Wasser über ihre Rundungen laufen lässt, damit sie rund bleiben. Endlich ihr Lieblingsfluch: Bloody hell! Sie war fertig. Vielleicht duschen sie ja in der Hölle eiskalt, dachte ich und öffnete meine Augen. Ich griff die Tomaten, die ans Bettende gerollt waren. Die Risse in ihrer Haut sahen wie gierige Münder aus. Wie schön sie waren, die roten Dinger. Wunderschön.

Auf dem Weg in die Küche setzte ich meine nackten Füße vorsichtig zwischen die Dreckpfützen, die Sonjas Stiefel überall hinterlassen hatten. Ich musste an ein Mädchen denken, das niemals auf die Ritzen zwischen Gehwegplatten trat. Es hatte große Angst, bei der geringsten Berührung könnte sich die Ritze in einen tiefen Abgrund verwandeln, in dem es verschwinden würde. Für immer. Bei dieser Art zu gehen verpasst du nicht nur den Schulbus, sondern das Leben. Niemand hatte dem Mädchen helfen können, aber ich konnte mir helfen und stampfte nun durch die Pfützen im Flur. Sonja kam mir entgegen, barfuß, in der einen Hand dampfenden Kaffee, in der anderen ihre Stiefel. Es ist ihre Art furchtlos zu gehen, die ich liebe. Sie geht einfach drauflos, dachte ich und spürte den warmen Matsch unter meinen Füßen.

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